Über Alois

Alois Schild, 1960 geboren, lebt und arbeitet heute noch in seinem von Bergen umgebenen Geburtsort Kramsach. Jeden Tag steht Alois der Monumentalität seiner Umwelt und der Kraft der Elemente gegenüber, die ein ganz besonderes Verständnis der Welt vermitteln. Diese spezielle Beziehung zur Natur spielt eine wesentliche Rolle bei seinem kreativen Schaffensprozess: Seit über 40 Jahren arbeitet der Tiroler Künstler mit dem Werkstoff Metall und lässt die Natur seine Kunstwerke durch Rosten vollenden.

Sternstunden der Eisenverarbeitung

Alois Schild zeichnet sich als kommunikativer Künstler aus, der sich mit seinen Arbeiten nicht aus der Welt zurückziehen, sondern mit ihr in Kontakt treten möchte.
Geboren in Tirol

Geboren 1960, wächst Alois in Kramsach auf, wo er auch heute noch lebt und arbeitet.

Tätigkeit als Fahrzeugfertiger

Von 1976 bis 1982 arbeitet Alois als Fahrzeugfertiger in einem heimischen Betrieb.

Entwicklung neuer Arbeitstechniken

Während dieser Periode entwickelt Alois neue Arbeitstechniken für den Bau von großen Metallfiguren.

Akademie der bildenden Künste in Wien bei Bruno Gironcoli

Studium der Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Bruno Gironcoli.

Rückkehr nach Tirol und Gründungsjahre

Nach Abschluss des Studiums kehrt Alois nach Kramsach zurück und gründet dort einen Kunstverein, eine Galerie und einen Skulpturenpark. Er erhält vermehrt Aufträge für Großplastiken im öffentlichen Raum.

Mit Nine Dragon Heads um die Welt

Ab 1999 reist Alois mit dem KünstlerInnenkollektiv Nine Dragon Heads rund um den Globus.

Geschichtsaufarbeitung

Konsequente Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Kramsach beginnend mit der Erinnerung an die Euthanasie-Opfer aus Mariathal.

Thematisierung von Flucht und Asyl

In den Folgejahren setzt sich Alois‘ gesellschaftspolitisches Engagement in der Auseinandersetzung mit dem brisanten Thema Flucht und Asyl fort.

Biennale-Beteiligungen

2015 nimmt Alois auf Einladung Park Byoung Uks an dessen Projekt »Jump into the Unknown«, einem Kollateralevent der 56. Internationalen Kunstschau La Biennale di Venezia teil.

Dieses Dorf im Tiroler Unterinntal, am Schwemmkegel der Brandenberger Ache gelegen, hat durch die Steinmetzmeister der Hagauer Bauhütte, die Kupferhütte und später das Messingwerk Achenrain und dank einer jahrhundertelangen Tradition des Glasmachens ein reiches künstlerisches Erbe.

Seine ersten Kunsterfahrungen macht Alois mit sechs Jahren als Ministrant in der örtlichen Pfarrkirche. Sehr früh schon zeigt er eine Sensibilität für sakraler Räume und liturgische Geräte: Gnadenbilder, Taufbecken und Reliquien beflügeln seine kindliche Phantasie. Die ersten Erfahrungen mit dem Werkstoff Metall macht er in der Werkstatt seines Vaters, welcher als Betriebsschlosser im Messingwerk Achenrain tätig ist und in seiner Freizeit Kunsthandwerkstücke anfertigt. .
Wenig angetan vom Lernen in der Schule beginnt Alois eine Lehre als Fahrzeugschlosser in einem heimischen Betrieb. In seinen Lehrjahren erwirbt er gründliche Kenntnisse des Schweißens und Schmiedens und entdeckt Metall auch als kreativen Werkstoff: Er experimentiert mit kleinen Figuren und kinetischen Objekten.

Die Abenteuerlust zieht Alois unwiderstehlich an und in die nahegelegene Brandenberger Ache, aus der er Schwemmholz und verrostete Metallteile birgt, die er zu sammeln beginnt und später zu Collagen (»Metallschriftbilder«, »Explosionszeichnungen«) arrangieren wird. Eine leerstehende Fabrik und die Sperrmüllhalde sind faszinierende Abenteuerräume für den jungen Alois: die aufgestöberten Maschinenteile und Kriegsrelikte finden Eingang in seine ersten Arbeiten, die sich mit dem Gräuel des Krieges auseinandersetzen.

Das Eisen wird dank seiner unerschöpflichen Gestaltungsmöglichkeiten, seiner Schönheit, seiner magischen Kraft und seiner natürlichen Verwandlung durch Oxidation Alois‘ zentrales, künstlerisches Arbeitsmaterial.
Noch relativ am Anfang seiner künstlerischen Karriere experimentiert er mit tragbaren Objekten, die er unter dem Namen »Körpermaschinen« (1984 – 1986) zusammenfasst und die heute als Fotodokumente fortbestehen. Mit dieser aktionistischen Werkreihe erweitert er seine Arbeit mit Metall um das Element des Performativen. Nach einer Serie kleiner figürlicher Metallobjekte, die menschliche Züge karikaturenhaft verkürzen (Werkzyklus »Orionopolis«, 1984 – 1988), folgt eine Reihe von Installationen am Ufer der Brandenberger Ache, die im Frühjahr vom Hochwasser der Schneeschmelze fortgeschwemmt werden (Zyklus »Energiekreis zum Fluss vom Fluss«, 1984 – 1986).

1986 wird Alois von Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste in Wien aufgenommen und bleibt dort bis 1990. Gironcolis poetische und symbolisch aufgeladene Skulpturmaschinen und dessen raumfüllender bzw. raumsprengender Anspruch an die Bildhauerei prägen den Kunststudenten nachhaltig. In seiner Akademiezeit entdeckt er auch internationale KünstlerInnen wie David Smith, Eduardo Chillida, Christo et Jeanne-Claude, Richard Long, Walter Pichler und Richard Serra, deren Arbeitsweisen ihn inspirieren. Von 1987 bis 1989 bildet sich aus einer neuartigen Arbeitstechnik mit eingerollten Metallstreifen der 12-teilige Skulpturenzyklus »Panoptikum«; diese schuppenartigen, verschweißten Objekte verbinden Pilz- und Phalluselemente mit technischen Bestandteilen. Parallel dazu entsteht auch eine Reihe hauptsächlich figurativer Zeichnungen auf Papier.

1991 werden seine Zwillingstöchter Gabriela und Tamara geboren. Im darauffolgenden Jahr wird er mit dem Bau der Großplastik »Inntalengel« für die europäische Verkehrsader Inntal beauftragt: eine acht Meter hohe, kopflose Figur, die auf einem zwanzig Meter hohen Sockel als »provisorischer Nationalheld« Wache steht. Er schafft die Werkreihe »Präkolumbianische Gartenmöbel« (1990 – 1994). Treue Sammler seiner Arbeiten wie Michael Geiger und Immo Schreck machten es rasch möglich, dass er sich ganz auf die Kunst konzentrieren kann.

Zusammen mit seiner Frau Brigitte, seinem langjährigen Freund Michael Geiger und einer Handvoll Seelenverwandter gründet er den Verein »Freunde zeitgenössischer Kunst, Kramsach- Tirol« und das Kunstforum »Troadkastn«, das in einem 300 Jahre alten Getreidespeicher untergebracht ist. 1993 ruft er den »Skulpturenpark Kramsach, Tirol« ins Leben: Auf einem 10.000 m² großen Areal an der Brandenberger Ache entsteht eine einzigartige Symbiose von Kunst und Natur. Ohne Unterlass fördert der Verein junge heimische und ausländische KünstlerInnen mit dem Herzensanliegen, internationale, hochwertige zeitgenössische Kunst in die ländliche Gemeinde zu bringen.

Parallel zu seiner Tätigkeit als künstlerischer Leiter des Vereins, führt Alois seine eigenen Skulpturenprojekte weiter: Er erhält vermehrt Aufträge für Großplastiken im öffentlichen Raum, darunter »Arche Noah 2001« (1996), »Pavillon der Freundschaft« (1997), »Schattenbild einer melancholischen Zeitmaschine« (1998) und »Wie im Himmel so auf Erden« (2000).

1999 lernt Alois den südkoreanischen Künstler und Kurator Park Byoung Uk kennen, Leiter des KünstlerInnenkollektivs »Nine Dragon Heads«. Wesentliche Merkmale dieses internationalen Netzwerks stimmen mit Alois Arbeitsweise und Auffassung von Kunst und Gesellschaft überein, die auf Austausch, Bewegung und Entwicklung einer humanistischen Gesellschaft beruht. Ein gleichnamiges, jährlich stattfindendes Symposium zielt darauf, Kunstschaffende aus aller Welt in Austausch zu bringen, um ein globales Bewusstsein zu schaffen, das Einlass findet in die Werke der eingeladenen KünstlerInnen und sich so weiterverbreitet. Das Reisen und Arbeiten in und mit fremden Kulturen und das Kennenlernen andere Vorstellungswelten führen zu einer enormen Erweiterung seines künstlerischen Blickwinkels. Endgültig auf der internationalen Ebene angekommen, stehen Symposien in Luxemburg, Frankreich, Kroatien, Mexiko und immer wieder Asien auf Alois‘ Arbeitsplan.
Ein Anliegen Alois‘ und des Vereins »Freunde zeitgenössischer Kunst Kramsach, Tirol« wird die konsequente Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Kramsach, beginnend mit der Erinnerung an die Euthanasie-Opfer aus Mariathal: 61 Kinder, die im Rahmen der im »Dritten Reich« proklamierten »Maßnahmen zur Ausmerze von Geisteskrankheiten« am 23. Mai 1941 von der SS aus der »Idiotenanstalt Mariathal« in Kramsach abtransportiert und wenig später im Schloß Hartheim ermordet werden. Seine Betroffenheit übersetzt Alois direkt in der Großplastik »Das Steckenpferd des Diktators. Monument für 61 unvergessene Mitmenschen« (1989 – 2003). Die Skulptur wird anlässlich des 70. Jahrestages der Verschleppung im Rahmen der dreitägigen Gedenkfeier »Heimat bist du großer Söhne« im Skulpturenpark festlich enthüllt. Im Zuge seiner Recherchen für dieses Projekt entdeckt Alois, dass seine Tante väterlicherseits, die als Jugendliche Anzeichen einer psychischen Krankheit zeigte, am 10. Dezember 1940 mit weiteren 179 PatientInnen von der Heil- und Pflegeanstalt Hall in die Tötungsanstalt Hartheim verlegt und dort ermordet wurde. Die Initiative des Kunstvereins, eine Gedenkstätte für den am 9. Jänner 1945 hingerichteten Kramsacher NS-Widerstandskämpfer DI Walter Caldonazzi zu errichten, steht ebenfalls in diesem Zeichen.
Er tritt dem Vorstand des Fördervereins »Freundeskreis Flüchtlingsheim Landhaus St Gertraudi« bei, organisiert Workshops und Projekte mit Flüchtlingskindern. 2013 entsteht in Zusammenarbeit mit seinem senegalesischen Künstlerfreund Mamadou Ba die Ausstellung »Weitgereiste Talismane« zum Thema Flucht und Vertreibung. 2016 präsentiert er zum selben Thema »Perforierte Lebensläufe – Ein Warteraum für Daseinsberechtigte« in der Galerie ArtDepot in Innsbruck. 2019 folgt auf Initiative von Kirchenrektor Jakob Bürgler und Bischof Hermann Glettler eine Kunstinstallation vor und in der Spitalskirche im Herzen der Stadt Innsbruck: Die rund acht Meter hohe und sechs Tonnen schwere Stahlskulptur »Prototyp der neuen Dimensionen« vor der Kirchenfassade ist eine kritische Anspielung auf die von US-Präsident Donald Trump in Auftrag gegebenen Modelle der geplanten Grenzmauer zu Mexiko und die Abschottungspolitik gegenüber Menschen auf der Flucht. Der »Korridor der Barmherzigkeit« im Inneren der Kirche hält zugleich aber die Hoffnung auf die Überwindung von Spaltung und Ausgrenzung aufrecht.
Im Garten des Palazzo Loredan errichtet er einen »Neo Nomadic Pavillon«, ein zeltähnliches, temporäres Gebäude aus Stahlblech, das die bestehende Vegetation integriert. Die Installation ist als mobile, bausteinförmige Konstruktion konzipiert: Die Stahlbleche können einfach gefaltet, transportiert und wieder auseinandergefaltet werden. Ihre Form bezieht sich auf Notunterkünfte.
In dieser immersiven Großinstallation lässt sich eine formale Reduktion feststellen sowie der Beginn des »Architektonischen« in Alois‘ Werk, etwas, das er nach dem »Neo Nomadic Pavillon« dann 2017 wiederum auf Einladung der »Nine Dragon Heads« auf der 15. Istanbul Biennale mit dem »Teehaus der Orientierungslosen« fortführt. Im stillgelegten Bahnhof Haydarpasa auf der asiatischen Seite des Bosporus errichtet er eine zwölf Meter lange und drei Meter hohe begehbare Skulptur aus oxidierten und perforierten Stahlplatten, durch die Tausende von Lichtstrahlen fallen. Die beiden für die Biennalen konzipierten Installationen sind direkt von seiner Auseinandersetzung mit den Themen Flucht und Asyl beeinflusst. Wie bereits der »Neo Nomadic Pavillon« verweist auch das »Teehaus der Orientierungslosen« auf das Nomadische und das Völkerverbindende. Beide sind flüchtige Häuser der globalen sozialen Interaktion.